Dominik May
  4. Verhandlungstag
 

Für Strafe „im einstelligen Bereich“

24.04.2010 - USINGEN/FRANKFURT

Plädoyers im Mordprozess: Verteidiger fordert Milde - Staatsanwaltschaft will elf Jahre wegen verminderter Schuldfähigkeit

(sma). War die Tötung des jungen Neu-Anspachers Dominik May ein Mord oder Totschlag? Und falls es Mord war: Kann die Strafe verringert werden, weil der Täter betrunken war? Das sind die Kernfragen, mit der sich die 21. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts im Prozess gegen Marcel S. beschäftigen muss.

Gestern plädierten die Staatsanwältin und der Rechtsanwalt der Nebenkläger, Andreas Moses aus Neu-Anspach, auf eine Verurteilung wegen Mordes. Der Rechtsanwalt des Angeklagten, Ulrich Endres, meinte dagegen, dass das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erfüllt sei. Er hält für seinen Mandanten „eine Strafe im einstelligen Bereich“ für angemessen. Moses plädierte als Anwalt der Familie und eines bei dem Angriff verletzten Freundes des Getöteten auf eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Staatsanwältin forderte eine Verringerung der Strafe auf elf Jahre Haft wegen der verminderten Schuldfähigkeit des mutmaßlichen Mörders.

Nebenkläger und Staatsanwältin haben keine Zweifel daran, dass der Angriff heimtückisch war. „Dominik May war völlig überrascht, es gab ja auch gar keinen Anlass für Tätlichkeiten. Er konnte sich nicht wehren, es ging alles blitzschnell“, sagte die Staatsanwältin. Sie geht davon aus, dass die Gruppe rund um den Angeklagten Marcel S. die andere Gruppe durchaus hatte provozieren wollen. Der Angeklagte habe die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers erkannt. Es sei ihm gerade darauf angekommen, die anderen zu überraschen. Er habe wohl seinem Freund beistehen wollen und auch Angst gehabt, noch einmal einen Vorfall wie wenige Wochen zuvor in Neu-Anspach zu erleben. Damals war er auf offener Straße von mehreren Jugendlichen zusammengeschlagen worden, sein Freund hatte ihm beigestanden. Für den Angeklagten spreche, dass er seine Tat aufrichtig bereue.

Die Freunde von Dominik May hätten nach dem Messerstich sehr umsichtig reagiert und es geschafft, mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung das Opfer einmal wiederzubeleben, sagte die Staatsanwältin.

„Die Eltern, Geschwister und Freunde von Dominik haben schwere Wunden, die für den Rest ihres Lebens bleiben werden“, sagte Rechtsanwalt Moses. Die Eltern leiden immer noch unter Schlaflosigkeit. Der Bruder hat Probleme beim Arbeiten, die Schwester ist in Therapie, der Freund von Dominik May leidet unter Angstzuständen. Die Eltern sind mittlerweile innerhalb von Neu-Anspach umgezogen, weil sie den Blick auf das Zimmer ihres Sohnes nicht mehr ertragen konnten.

Ihr Rechtsanwalt zeigte sich gestern in seinem Plädoyer erstaunt, dass der Gutachter bei dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit sieht. „Er hat doch funktioniert wie ein Uhrwerk“, sagte der Juist. Außerdem habe er seine Trunkenheit selbst verursacht.

„Wir haben ein Opfer, das nicht in das Bild eines Opfers passt. Und wir haben einen Täter, der nicht in das Bild eines Täters passt“, begann sein Rechtsanwaltskollege Endres sein Plädoyer als Verteidiger. Heimtückisch sei die Tat nicht gewesen. Die Männer aus den beiden Gruppen hätten sich gegenüber gestanden, die Situation sei aggressiv gewesen. Außerdem habe sein Mandant den 20-jährigen Neu-Anspacher „selbstverständlich nicht töten wollen. Er wollte aus falsch verstandener Nibelungentreue seinen Freund vor einem Angriff bewahren“, meinte er über das Motiv für die Tat. „Er hat sich subjektiv bedroht gefühlt.“ Die Tat passe gar nicht zu seinem Charakter.

Zum Ende der Verhandlung bekam Marcel S. noch die Möglichkeit für sein „letztes Wort“. Er war vor lauter Weinen kaum zu verstehen und sagte: „Es tut mir leid. Ich wollte das nicht. Ich weiß, dass Sie mir nicht verzeihen können. Das verlange ich auch nicht.“

Das Urteil wird am Montag um elf Uhr im Frankfurter Landgerichts verkündet.

 
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